memory.

heute abend hatte ich seltsame erinnerungen.
keine die man hat wenn die augenschließt und etwas vergangenes sieht.
es waren erinnerungen oder eher flashbacks an gefühle. ganz kurze momente lang habe ich dinge gerochen und geschmeckt die sich definitv weit außerhalb der reichweite meiner sinne befanden.

zum beispiel habe ich die leckere roulade vom weihnachtsessen geschmeckt.
auch habe ich die zarte haut einer guten freundin auf meiner haut gespürt.
es gab noch weitere solcher erinnerungen. die meisten sind mir entfallen.
aber es waren gute erinnerungen.

befremdlich war es aber dennoch. diese erinnerungen waren sehr körperlich. nicht so künstlich wie erinnerungen normalerweise sind.

die situation erinnert mich etwas an die spiegelpflanze bei captain future. ihr ganzes leben lang hat sie die ganze zeit objekte gespiegelt. erst als sie verwelkt, beginnt sie die gespiegelten bilder rückwärts abzuspielen.
oder der T-1000 der die formen all der menschen die er dupliziert hat nocheinmal annimmt, während er in dem flüssigen stahl vergeht.

broken chassis?

auf der silvesterparty am freitag habe ich es wieder sehr deutlich gemerkt. mein rücken ist total verkorkst.

einen ganz kurzen moment hatte ich den entschluß gefasst, den kaputten topf topf sein zu lassen, und einfach nur etwas spaß zu haben.
den beschissenen abend doch noch zu retten. ein bißchen tanzen. ein bißchen flirten. beinahe war ich sogar schon soweit, daß ich was alkoholisches trinke. als ich mich jedoch der tanzfläche näherte, merkte ich daß ich mich gar nicht so bewegen konnte wie ich wollte.
der wille den abend zu retten war in diesem augenblick gestorben.
ich packte und ging nach hause.

ebenso die tage danach.
in ermangelung des topfes fing ich an im bett zu lesen. und auch da: drehte ich mich um, wünschte ich mir ich hätte es behutsamer getan. einen leisen fluch und ein kurzes verkrampfen später konnte ich einen weiteren versuch unternehmen die liegeposition zu wechseln.

samstag im BlueScreen: das hochtragen eines einzigen colakastens verursachte geschlagene anderthalb stunden rückenschmerzen. nicht so schlimm, daß ich schreien mußte, aber so daß ich mir merkte das nächste mal jemanden dafür um hilfe zu bitten.

hinzu kommt dieses seltsame gefühl der schwindenden “standhaftigkeit” beim sex. obwohl, das auch von der langen abstinenz kommen kann. ich hoffe es zumindest inständig.

ich fühle mich gerade sehr zweigeteilt. so als wäre mein körper unterhalb des bauchnabels nur noch zum urinieren und fortbewegen des oberteils zu gebrauchen.
wie ein kaputtes fahrwerk.

Kurt Tucholsky – Zwei Seelen

Ich, Herr Tiger, bestehe zu meinem Heil,
aus einem Oberteil und einem Unterteil.
Das Oberteil fühlt seine bescheidene Kleinheit,
ihm ist nur wohl in völliger Reinheit,
es ist tapfer, wahr, anständig und
bis in seine tiefsten Tiefen klar und gesund.
(Das Oberteil ist auch durchaus befugt, Ratschläge zu erteilen und die Verbrechen von anderen Oberteilen zu geißeln.)
Es darf sich über die Menschen lustig machen,
und wenn andre des Naseninhalt hochziehn, darf es lachen.
Soweit das.
Aber:
Dunnerkeil
das Unterteil:
Feige, unentschlossen, heuchlerisch, wollüstig und verlogen,
zu den finstersten Freuden des Fleisches fühlt es sich hingezogen,
dabei dumpf, kalt, zwergig, ein greuliches,
pessimistisches Ding, etwas ganz und gar abscheuliches.
Nun wäre aber auch einer denkbar, sehr bemerkenswert
der umgekehrt.
Der in seinen unteren Teilen nichts zu scheuen hätte,
keinen seiner diesbezüglichen Schritte zu bereuen hätte,
ein sauberes Triebwesen, ein ganzer Mann, und
bis in seine tiefsten Tiefen klar und gesund.
Und es wäre zu denken,
dass er am gleichen Skelette,
eine Seele mit Maukbeene hätte.
Was er nur andenkt, wird faulig verschmiert,
sein Verstand läuft nie offen, sondern stets maskiert,
sogar wenn er lügt, lügt er,
glaubt sich nichts, redet?s sich aber ein,
und ist oben herum überhaupt ein Schwein.
Vor solchen Menschen müssen wir alle, die ihn begucken,
vor Ekel mitten in die nächste Gosse spucken.
Da striche auch ich mein doppelkeuriges Kinn,
und betete ergriffen: Ich danke dir Gott, dass ich bin wie ich bin.
Was aber Menschen aus einem Gusse betrifft in der schönsten der Welten,
der Fall ist äußerst selten.

subversa.

auf dem weg zum weihnachtsessen am zweiten weihnachtsfeiertag gab es irgendwie stress mit meinem paps.
immer wenn er merkt, daß ich erst so spät von der arbeit komme und mich dann völlig übermüdet aus dem bett quäle um familienfeiern beizuwohnen, ist er der meinung, daß ich diese arbeit nicht ewig machen kann.
klar, ich werde nicht bis ich fünfunddreißig bin den kindern ihre computerspiele einstellen und trojaner entfernen, aber vorerst bin ich hier glücklich.

er nimmt solche begebenheiten immer als – in seinen augen passenden – aufhänger mir alternative geschäftsideen und existenzgründungsideen zu unterbreiten.
heute war es der root-server. man könnte ja einen rootserver anmieten, und die dadurch gewonnene rechenkapazität gewinnbringend weiter vermieten. zum beispiel als spieleserver.
an sich ist diese idee sicherlich nicht dumm. aber in diesem moment war mir das einfach zu viel. zumal mein paps mit seinen gut fünfzig jahren nicht mehr so wirklich plan von eSport und gameservern hat. ich habe ihn ziemlich rüde in die schranken verwiesen und ihn mit absicht vor den kopf gestoßen, damit er mich endlich in ruhe lassen möge. gleichzeitig habe ich recherchen begonnen, die umsetzbarkeit seines vorschlages zu prüfen. er meint es ja dennoch gut.

aber das war am abend als der schwelbrand unserer gereizten stimmung endlich entflammt wurde.
in der zwischenzeit habe ich mich an der weihnachtstafel kreativ mit meinem essen beschäftigt um meinem frust mit subversiven aktivitäten etwas luft zu schaffen.
die Bauern lächelten sehr finster.

man könnte mich auch als Ursula-Poppenricht (siehe ŽŽder tiefere Sinn des LabenzŽŽ) bezeichnen.

cash.

Johnny Cash

ab und an höre ich mal wieder ein lied von johnny cash.
es macht mich traurig, daß er starb. nach wie vor. mit kaum einer musik verbinde ich mehr angenehme erinnerungen als mit johhny cash.

werde ich die gleiche trauer hinterlassen, wenn ich sterbe?

in dieser beziehung denke ich oft an knut. und ich werde nicht schlau daraus, denn in meinen augen hat er kein großes loch hinterlassen. zumindest keines, das die zeit nicht irgendwie wieder gefüllt hätte. andererseits waren wir auch nicht die dicksten kumpels. wir haben uns immer gut verstanden, aber es gab keine seelenverwandschaft zwischen uns.
was wird mit den menschen passieren, die mich schätzen, wenn ich sterbe?

je kälter es draußen wird, um so häufiger denke ich an den tod. je bewusster mir mein körperlicher verfall wird – und in der kalten jahreszeit geht das wesentlich schneller – um so bohrender wird die frage.

raucher sterben früher.

good morning vietnam.

man manchen “morgen” – also dann wenn ich aufstehe – ist mir ganz komisch zumute. besonders wenn ich musik höre und oder in einer betrübten stimmung zu bett ging.

irgendwie schwingt die energie des gesamten kommenden tages dann in diesen gefühlen mit. es fühlt sich seltsam an und ist sehr wechselhaft. als wäre das gefühlskonstrukt dieses tages ein neugeborenes, welches sich an den emotionen den neuen eindrücken orientiert und entwickelt.

gerade eben als ich im bad war, habe ich johnny cash – one gehört. ich hätte heulen und dann die welt verbrennen können.
mein kleinkind entwickelt sich gerade zu einem misanthrop.
ich werde erstmal frühstücken.
das hilft sicher.
mhm. essen.