Der Müll in den Straßen

Mein Arbeitgeber hat jetzt eine Beschäftigten-App.
Dort gibt es einen allgemeinen Kanal – so halb Off-Topic. Manchmal gibt es Katzenbilder. Manchmal Sonnenaufgänge mit Arbeitsgerät. Manchmal Bilder vom Arbeitsalltag. Anfang der Woche gab es eine Bilderserie von einem von kleinteiligem Verpackungsmüll leicht verschmutzen Gehweg aus Nord-Neukölln.

In einem Anflug von Provokation habe ich darunter kommentiert:

Lasst das ruhig mal liegen.
Leute die hohe Mieten zahlen können, wollen in so einer Gegend nicht wohnen.

Es entwickelte sich ein kleiner Austausch von Argumenten:

Und dann war ich inspiriert und habe eine Menge Text erzeugt. Kommentare im Internet. Sie sind irgendwie immer zu kurz.
Aber ich finde den Gedanken relevant und konsistent zu einem möglichen Endpunkt gedacht. Daher packe ich das in mein Archiv hier:

Wenn die Fenster aber schon kaputt sind und der Dreck schon da ist, kann das Pendel auch die andere Richtung schwingen. Sodass das mataphorische Reparieren des Fensters einen bestehenden Lebensraum verändert und zur Verdrängung führt. Man kann jetzt sicher darüber streiten, was der städtebauliche Normalzustand für Nord-Neukölln ist, aber wenn mich nicht alles täuscht war das was heute der Dreck ist, früher der Fluglärm und die Nähe zur Grenze die das Viertel attraktiv für finanziell Schwächere gemacht hat.

Ich lebe selbst in dem Kiez in Nord-Neukölln. Ich stelle auch fest, dass es mehr Obdachlose und Drogensüchtige in den U-Bahnhöfen gibt. Wobei der Müll auf den Straßen ein eher gleichbleibend mittleres Niveau beibehält. Sicher sind der Dreck und die armen Menschen Aspekte, die “in niemandes Interesse sind”. Vor allem nicht im Interesse der Menschen selbst, die bereits darin leben. Ja, auch ich hätte gerne seltener den beißenden Gestack eines Obdachlosen oder, wenn es darum geht, auch weniger Müll auf den Straßen.

Aber mir ist trotzdem wichtiger zu wissen, dass die “weniger reichen Menschen” nicht einfach ihres Lebensraumes verdrängt werden. Je höher die Lebensqualität um so höher sind auch die Ansprüche an die einzelne Person. Und je höher diese Ansprüche sind, um so mehr Leute werden scheitern und abgehängt werden. Es ist eine Aufgabe als Gesellschaft – und als BSR sind wir direkt vom gesellschaftlichen Lenkungsorgan beauftragt – niemanden fallen zu lassen. Es sollte niemand zurück bleiben.

Ich empfinde es daher als wichtig regelmäßig daran erinnert zu werden, dass auch mein persönlicher Reichtum – selbst wenn ich ihn als ungenügend empfinde – im Leben eines Anderen fehlt. Es ist halt nicht für jeden gesorgt, wenn jeder an sich denkt. Wir leben nicht in einer Welt wo das Recht des Stärkeren gilt. Darwin hat so das Leben in der Tierwelt beschrieben. Aber genau davon hebt sich die menschliche Gesellschaft ab.

Milieuschutz ist genau das: Schützen eines bestehenden Lebensraumes. Ich plädiere ja nicht dafür, gar nicht mehr zu Kehren. Aber vielleicht muss es nicht so oft wie in Charlottenburg sein. Ja, man kann sich empören, dass es in anderen Straßen – außerhalb des eigenen Lebensraumes – nicht so ordentlich ist, wie es den eigenen Ansprüchen genügt. Aber man sollte nicht den Fehler machen, die Menschen die so und dort leben als Problem zu betrachten.

Es hilft eben nicht dass “man sich was anderes einfallen lässt”. Es hilft nicht, das Problem an “die da oben” zu delegieren. Es stellt sich jedem Einzelnen die Frage und Verantwortung über sein Handeln, seine Möglichkeiten und seine Ziele zu reflektieren. Das Minimum was man machen kann, ist manchmal festzustellen “Dit is Berlin. Dit is okay so.”